Einführung des StaRUG-Verfahrens beschlossen

mit Einschränkungen

23. Dezember 2020

Von Dr. Philipp Lattreuter

Am Donnerstag, den 17. Dezember hat der Bundestag die Einführung eines neuen vorinsolvenzlichen, aber gerichtlich begleiteten Sanierungsverfahrens beschlossen. Mit der Verabschiedung des Einführungsgesetzes SanInsFoG[1] wurde das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) aus der Taufe gehoben und mit ihm ein Verfahren, welches im Folgenden als StaRUG-Verfahren bezeichnet wird.[2]

Ziel des Gesetzes ist – im Rahmen der Umsetzung der EU-Rechtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen[3] – ein Verfahren bereit zu stellen, um Unternehmen mit Hilfe ausgewählter und modular anwendbarer Instrumente aus dem Insolvenzrecht zu sanieren, ohne dass es eines Insolvenzsverfahrens bedarf. Neben den Instrumenten, welche vereinfacht gesprochen zwischen jenen für eine Verhandlungslösung und jenen im Insolvenzverfahren verortet werden können, führen der neu geschaffene Rechtsrahmen und die gerichtliche Begleitung des Verfahrens zu einer erhöhten Rechtssicherheit für die beteiligten Parteien.

Wesentliche Inhalte – kurz zusammengefasst:

  • Das Verfahren steht ausschließlich drohend zahlungsunfähigen Unternehmen zur Verfügung, d.h. weder solchen vor diesem Krisenstadium, noch solchen, die bereits insolvenzreif sind.
  • Die Anmeldung des Verfahrens bedarf der Vorbereitung:
    • Wesentliche (betroffene) Gläubiger müssen bereits hinsichtlich Sanierungsbeiträgen angesprochen worden sein (und der Verhandlungsstand dokumentiert sein).
    • Ein grober Sanierungsplan muss erstellt sein, welcher insbesondere die wesentlichen Maßnahmen/Beiträge zur Restrukturierung und die betroffenen Gläubigergruppen benennt.
    • Zur Verhinderung von Verwertungs- und Vollzugsmaßnahmen einzelner Gläubiger sollte ein Moratorium beantragt werden[4].
    • „Akkordstörer“ können über qualifizierte Mehrheitsbeschlüsse „ausgebremst“ bzw. qualifiziert überstimmt werden.
  • Das Verfahren selbst ähnelt einem Insolvenzplan mit überwiegendem Fokus auf die Restrukturierung der Passivseite ((Teil-)Verzichte, Umwandlung von Altverbindlichkeiten)
  • Für die Überwachung der Umsetzung (insbesondere die Erfüllung der Gläubigeransprüche) ist ein Restrukturierungsbeauftragter vorgesehen, dessen Ernennung und Rolle an die Anforderungen des Verfahrens angepasst wird, und welcher kein Insolvenzrechtler sein muss.

Last Minute Änderungen verwässern die Ziele des Gesetzvorhabens

Spannend für die Anwendbarkeit eines neuen Rechtsrahmens sind oftmals die Details, und dabei vor allem jene, welche in den letzten Zügen des Gesetzgebungsverfahrens angepasst werden. Diese Änderungen wurden auch innerhalb von DRESEN MALL intensiv und teilweise kontrovers diskutiert.

Die wesentlichste Veränderung stellt die „Nicht-Aufnahme“ eines Instrumentes dar, welches das Verfahren attraktiver gestaltet hätte, und in anderen europäischen Ländern in nationales Recht eingeflossen ist. Dabei geht es um die Möglichkeit der Beendigung bzw. Anpassung von Vertragsverhältnissen, d.h. um eine Veränderung der zukünftigen Geschäftsgrundlage. Prominentestes Beispiel in diesem Zusammenhang sind langfristige Mietverträge, welche – so war es ursprünglich vorgesehen – mit
3-Monatsfrist hätten beendet werden können. Dies hätte z.B. einem Einzelhandelsunternehmen sowohl die Möglichkeit eingeräumt, auf ein Geschäftsmodell mit weniger Filialpräsenz in teuren Lagen zu setzen, als auch die Verhandlungsposition des Unternehmens gestärkt, um Verträge in der Krise nachzuverhandeln. Dieser Teil des Gesetzentwurfes ist mit Verweis auf die Vertragssicherheit für die Gläubiger gestrichen worden.

Da Personalverträge ohnehin vom StaRUG-Verfahren ausgeschlossen sind, reduziert das Verfahren die Restrukturierung fast vollständig auf eine Teilent- bzw. -umschuldung hinsichtlich bestehender Verbindlichkeiten. Damit wird das Ziel eines restrukturierten, wieder wettbewerbsfähigen Unternehmens nach einer Restrukturierung jedoch in der Regel verfehlt, wenn es nicht (außerhalb des eigentlichen StaRUG-Verfahrens) auch zu einer operativen Restrukturierung kommt.

Eine weitere Anpassung beinhaltet die Streichung einer geplanten Konkretisierung und Verschärfung von Pflichten der Geschäftsleitungen und Aufsichtsgremien.

Verfahren voraussichtlich nur für ausgewählte Unternehmen und Situationen geeignet

Mit dem StaRUG-Verfahren wurde das Instrumentarium in der Krise ergänzt, und eine Lücke zwischen Verhandlungslösung und Insolvenz geschlossen. Jedoch ist dieses Verfahren wohl nur für ausgewählte Unternehmen und Situationen geeignet.

Voraussetzung ist eine mehrjährige, integrierte Planungsrechnung, über die tendenziell nur größere Unternehmen in belastbarer Qualität verfügen. Bei der Abwägung zwischen den Kosten für solch ein Verfahren, welches die Begleitung durch Spezialisten erfordert – sowohl auf juristischer, als auch betriebswirtschaftlicher Seite –, und den Nutzen der bereitgestellten Instrumente, wird es vermutlich nicht zu einer weiten Anwendung kommen.

Hinzu erwachsen Risiken aus der Unsicherheit, wie das verabschiedete Recht im Detail ausgelegt wird, und wie sicher es die beteiligten Parteien bei einer drohenden späteren Insolvenz wirklich zu schützen vermag.

Eine gute Sanierungsberatung sollte daher mit dem StaRUG-Verfahren vertraut sein, und es in ihren Instrumentenkoffer aufnehmen, ohne es als DAS Sanierungsinstrument zu überhöhen. Vielmehr müssen jedes Unternehmen und jede Situation individuell analysiert werden, um den jeweils bestmöglichen Weg zu finden.

Fußnote:
[1] Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz
[2] Insbesondere in der Entstehungsphase auch „Präventiver Restrukturierungsrahmen“ oder „Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen“
[3] EU-Richtlinie 2019/1023 vom 20. Juni 2019
[4] Dieser Schritt ist nicht verpflichtend und ein Moratorium wird nur auf Antrag gewährt, aber in der Regel sollte dies beantragt werden